Österreichisches Filmurheberrecht ist EU-rechtswidrig!
Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 9.2.2012 im Verfahren „Martin Luksan vs. Petrus van der Let“ eine für die österreichischen Filmschaffenden richtungsweisende Entscheidung getroffen. Nach dieser Entscheidung ist eine originäre Zuweisung der Rechte der Filmschaffenden an den Produzenten, wie derzeit im österreichischen Urheberrechtsgesetz (UrhG) vorgesehen, rechtswidrig. Damit haben die österreichischen Filmschaffenden einen historischen Sieg in einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit den Produzenten errungen.
Nach der derzeitigen Rechtslage (herrschende Lehre und Rechtssprechung) entstehen die Verwertungsrechte der Filmurheber (Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Senderecht etc.) bei gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken in der Hand des Produzenten (§38 Abs1 UrhG). Dieser muss daher bzgl. des Rechteerwerbs keine Verträge mit Filmschaffenden schließen, sondern bekommt diese bereits durch das Gesetz zugewiesen.
Seit dem Jahr 1936 wurden die Filmschaffenden daher gleichsam durch das Gesetz enteignet, faire Vertragsverhandlungen mit den Produzenten waren von vornherein ausgeschlossen.
Diese in der EU praktisch einzigartige Regelung ist in der Entscheidung des EuGH vom 9.2.2012 nun für unzulässig erklärt worden, da sie nach Ansicht des Gerichtshofs dem Unionsrecht widerspricht.
Die Entscheidung spricht zwar nur vom „Hauptregisseur“, weil nur dessen Rechtsstellung bislang im Unionsrecht eindeutig geregelt wurde, die Entscheidung wird in Bezug auf die österreichische Rechtslage jedoch wohl auch auf alle anderen Filmurheber wie Kameraleute, Cutter, Filmarchitekten und Kostümbildner umlegbar sein. Weiters wird man davon ausgehen können, dass das Urteil auch für Schauspieler, für die in Österreich eine ähnliche gesetzliche Regelung gilt, positive Auswirkungen haben wird.
Neben der grundlegenden Aussage, dass die Verwertungsrechte wie bei allen anderen Urhebern (Komponisten, Autoren, bildende Künstler etc.) in deren eigenen Händen entstehen müssen, trifft das Urteil noch weitere wichtige Aussagen für Filmschaffende.
So stehen auch die im Gesetz verankerten Vergütungsansprüche, wie z.B. die Leerkassettenvergütung, ebenso wie die Verwertungsrechte originär den Filmschaffenden zu, auf diese kann auch nicht vertraglich verzichtet werden. Ein solcher Verzicht ist nach geltender österreichischer Rechtslage noch möglich. Auch diese Aussage hat insofern besondere Bedeutung, als die Erlöse aus der Leerkassettenvergütung und anderen urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen für viele Filmschaffende wesentliche Einnahmen darstellen.
Insgesamt wird durch das Urteil die erfreuliche urheberfreundliche Tendenz des EuGH fortgesetzt.
"Die cessio legis in ihrer derzeitigen Form ist damit jedenfalls endgültig gestorben" erklärt Mag. Gernot Schödl, Geschäftsführer der VdFS – Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden, die den Prozess von Anfang an begleitet und damit maßgeblich zu dieser historischen Entscheidung beigetragen hat. Durch die Verpflichtung der Produzenten, künftig wie mit den Urhebern „vorbestehender Werke“ (Drehbuchautoren, Komponisten der Filmmusik) nun auch Verträge mit den Filmschaffenden (Regisseure, Kameraleute, Cutter, Szenenbildner, Kostümbildner) schließen zu müssen, ist nun die Diskussion um ein umfassendes und ausgewogenes Urhebervertragsrecht, das in Österreich leider nach wie vor fehlt, auch für Filmschaffende aktueller denn je.
Offen bleibt nun, wie und wann der österreichische Gesetzgeber das Urteil des EuGH umsetzen wird.
Eine Möglichkeit wäre eine widerlegliche Vermutungsregelung wie im deutschen UrhG, wonach lediglich vermutet wird, dass die Verwertungsrechte bei den Produzenten liegen, wenn diese mit Filmschaffenden Verträge schließen, jedoch jederzeit etwas anderes vereinbart werden kann. Allerdings müsste auch in diesem Fall laut der Entscheidung des EuGH ein unverzichtbarer Anspruch auf angemessene Vergütung für die Filmschaffenden gewährt werden.Eine solche gesetzliche Vermutung wäre aber nur eine mögliche Option, um das Gesetz entsprechend den Vorgaben des EuGH zu novellieren.
Es bleibt also mit Spannung abzuwarten, auf welche Weise der österreichische Gesetzgeber das nun eindeutig als unionsrechtswidrig qualifizierte Gesetz sanieren wird.